Kindergeldanspruch bei Erst- und Zweitausbildung?

Einkommensteuer

Bei mehreren Ausbildungsabschnitten liegt nur dann eine einheitliche Ausbildung (in mehreren Teilen) vor, wenn die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen und auch zeitlichen Zusammenhang stehen. Für den zeitlichen Zusammenhang stellt der BFH darauf ab, wann der weitere Ausbildungsabschnitt tatsächlich durchgeführt wurde. Das bloße Bemühen um eine weitere Ausbildung reicht nicht. Wenn sich die Aufnahme des zweiten Ausbildungsabschnitts über längere Zeit hinzieht, liegt eine schädliche Zäsur vor, selbst wenn sich das Kind unmittelbar nach dem ersten Abschluss um den weiteren Abschluss bemüht. Das gilt auch dann, wenn für den Abschluss einer weiteren Ausbildung eine praktische Tätigkeit in dem bereits erlernten Beruf vorausgesetzt ist. Die Berufstätigkeit führt also zu einem Einschnitt, der den Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten aufhebt. Bei der Zweitausbildung von volljährigen Kindern können Einkünfte aus einer Erwerbtätigkeit dazu führen, dass der Kindergeldanspruch verloren geht.

Beispiel:
Die Tochter absolvierte nach ihrem Abitur eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten, die sie im Juni 2013 abschloss. Anschließend arbeitete sie in Vollzeit in Steuerberatungskanzleien (40 bzw. 36 Wochenstunden). Im September 2013 meldete sie sich bei einer Fachschule für Wirtschaft an und bekam eine Zusage für das Schuljahr 2014/2015. Im August 2014 nahm sie ihre Ausbildung an der Fachschule für Wirtschaft auf mit dem Ziel, nach dem Fachschulabschluss die Fortbildungsprüfung zum Steuerfachwirt abzulegen. Das erforderliche berufspraktische Jahr konnte während der Fachschulausbildung abgeleistet werden.

Die Familienkasse lehnte die Gewährung von Kindergeld ab Juli 2013 bis September 2015 (Vollendung des 25. Lebensjahrs bzw. Abschluss als Steuerfachwirt) mit der Begründung ab, die Tochter habe sich bereits in einer Zweitausbildung befunden und sei mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden einer "schädlichen" Erwerbstätigkeit nachgegangen.

Im Beispielsfall, den der BFH entschieden hat, bestand kein zeitlicher Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten. Es gab keine objektiven Gründe, die einer Aufnahme in die Fachschule für Wirtschaft im August 2013 entgegengestanden hätten. Die Tochter hat vielmehr ihren ersten (objektiv) berufsqualifizierenden Abschluss genutzt, um mit einer regulären Erwerbstätigkeit ohne Ausbildungscharakter Einkünfte zu erzielen. Diese Erwerbstätigkeit bildete eine zeitliche Zäsur zwischen zwei selbstständigen Ausbildungen.

Der enge zeitliche Zusammenhang muss zwischen beiden Ausbildungsabschnitten bestehen, wobei eine Übergangszeit von 4 Monaten unschädlich ist. Ein Zusammenhang zwischen dem Ende einer Ausbildung und den Bemühungen um eine weitere Ausbildung genügt nicht. Die von der Tochter ausgeübte Erwerbstätigkeit war damit nach Abschluss der Erstausbildung wegen Überschreitung der 20-Stunden-Grenze anspruchsschädlich.

Fazit: Setzt ein Kind nach der Beendigung einer Ausbildung seine Berufsausbildung nicht zum nächstmöglichen Zeitpunkt fort, handelt es sich bei der nachfolgenden Ausbildung um eine Zweitausbildung.

Zurück